Assoziative Dissonanz oder: Hilfe! Bildtitel gesucht!

Da hat man endlich mal ein wirklich schönes Bild fotografiert, kommen auch schon die Schwierigkeiten. Es braucht halt einen Titel. Ohne gehts nicht: 

an dieser Stelle des Textes noch ohne Titel

Brecht, ganz klar!, ist die erste Assoziation: 

Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht. 
Ich sach nur - gefährlich! Ganz gefährlich! Könnte doch glatt einer, und einem fällt sowas immer sofort ein, auf die Idee kommen, daß die schemenhaft abgebildeten Personen implizit mit Flaschen gleichgesetzt würden. Geht natürlich gar nicht, das sind ja gewählte Personen und irgendwer hat die gewählt. Der Nächste assoziiert, daß im Hintergrund irgendwelche Dunkelmänner zu erahnen sind. Geht natürlich erst recht nicht. Schließlich weiß ich, wer da im Hintergrund sitzt und noch grüßen die mich. 

Nein, Brecht kanns nicht sein, so gut Brecht natürlich zum Thema Politik passen würde. Noch größer, da muß es schon Goethe selber sein, der seinen Götz von Berlichingen sprechen läßt - nein, nicht das, natürlich das andere, das Fotografenzitat: 
Wo viel Licht ist, ist starker Schatten 
Aus dem dramaturgischen Zusammenhang ergibt sich, daß das genau wegen zu offensichtlicher Vorurteile in die Hose gehen dürfte, genau wie das Brecht-Zitat, sagt doch direkt vorher Weislingen 
Glückliches Kind! das kein Übel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt.
Es könnte wieder jemand in den falschen Hals bekommen.  

Merke: Hell-Dunkel-Kontrast führt gedanklich in dunkle Abgründe, die das Foto wirklich nicht verdient hat. 

Versuchen wirs also mal positiver, nächster Einfall: "Erleuchtung" oder vielleicht ... noch besser auf Neudeutsch "enlightenment", oh ja, das würde dann auch weltweit Klicks provozieren. Auf den ersten Blick ein toller Einfall, nur könnte wieder einer (wahrscheinlich einer der beiden Abwegedenker von oben) ganz und gar abwegige Gedanken haben und auf die Idee kommen, daß ich die Aussage treffen wollte, daß die Erleuchtung die beiden Personen, wenn auch nur ganz knapp, aber sichtbar verfehlt habe. Wieder nicht gut. 
Und Englisch ist erst recht blöd: "Enlightenment" bezeichnet im englischen Sprachraum das Zeitalter der Aufklärung - sollten die beiden Herren etwa andeutungsweise gedanklich noch dem Spätmittelalter verhaftet sein? Allmechd, bewahre! 
Nein, kann man auch nicht machen. Und schon gar nicht, wenn man sieht, daß "enlightenment" heutzutage gerne mit esoterischen Beigeschmack daherkommt ... also auch eher unpassend: Schließlich steht gerade dieses Gremium mit beiden Beinen fest auf heimischer Scholle und hebt ganz gewiß nicht in esoterische Sphären ab, wenngleich ... die Mitglieder dieses Gremiums bei Vollmond in wallenden Gewändern auf einer taubedeckten Wiese tanzen sehen ... priceless! Aber, HALT! STOP!, das führt vom Thema weg. Ich such doch nur einen Namen für ein Bild. 

Nicht so einfach, das ... 
Bleibt noch der Klassiker: "Stilleben mit Kaltgetränken", "Stilleben mit Milchkännchen"? Hmmm, das mit dem Stilleben bringt halt keine Klicks, Stilleben sind sowas von out heutzutage. Und schon gar, wenn auch noch Geschirr mit drauf ist. Das ist sowas von (Sechzehnhundert)80er ... kann man heutzutage nicht mehr machen. 
Und eine "Wirtshausszene", wenn wir bei den Klassikern bleiben wollen ... nein, obwohl die Lichtführung den Meistern der Münchner Schule gleichkommt, paßt auch das nicht: da fehlen Humpen oder Weingläser und natürlich der unausweichliche fast schlafende und sicherlich angetrunkene Gast, der sich in der Nähe des Kachelofens aufhält (Nein, was schreib ich, jetzt kommt gleich  wieder der von oben mit seinen unsäglichen gedanklichen Abwegen. Kann den Kerl mal jemand des Saals verweisen?).  

OK, machen wirs also notgedrungen zur Schwerkunst: 


"Komposition 42"

Ja, genau, das klingt so schön aufgeplustert nach kulturellem Anspruch! Die durch diesen Namen angedeutete Parodie der angeblich so ernsthaften Kunstszene erhebt den Bildtitel zu eigener Kunst, Meta-Kunst sozusagen ... ach je, das arme Foto, hat es das verdient?  

Und dabei -das darf dann aber nie jemand erfahren- wars doch nur eine zufällig gesehene und festgehaltene Situation. Aber wenn sichs dann teurer verkauft, dann kann, ja: muß man mal Zugeständnisse machen. Wenns gar nicht anders geht udn wenn keiner eine assoziationsfreie Idee hat, lassen wirs halt bei "Komposition 42".

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