Digitalisierung, ganz zeitgemäß

Die Digitalisierung des öffentlichen Raumes hat endlich auch Künzelsau erreicht! 


Aber vielleicht nicht so, wie sich der Bürger und der Digitalpakt der Bundesregierung sich das so vorstellen:  

Da stand eine Litfaßsäule mitten in der Stadt. Eine richtig moderne. Nicht so eine alte, bei der man die Plakate umweltfreundlich kleisterte und jedes Jahr einer mit schwerem Gerät die gesammelten Plakate des letzten Jahres abgefräst und danach dem Stadtarchivar übergeben hat. 
Nein, es war eine ganz moderne, bei der man, wenn man dazu berechtigt war und den Schlüssel hatte, das gläserne Rund öffnen und Plakate und Mitteilungen genauso umweltfreundlich mit Reißzwecken befestigen konnte. 

Einmal im Kreis um die Litfaßsäule laufen und alle Kulturveranstaltungen im Blick haben. Was einem interessiert, konnte man näher inspizieren, Uninteressantes konnte man wegblenden. Innerhalb weniger Sekunden war man informiert. 
Der Mensch ist recht gut darin, mit einem flüchtigen Blick zu erfassen, daß da unter vielen Unwichtigkeiten etwas ist, was ihn interessiert. Diese Fähigkeit hat ihm zu Zeiten der Säbelzahnkatze oft das Leben gerettet. 
Man konnte aber auch einfach vorbeigehen, ohne Kenntnis zu nehmen, irgendwie angenehm unaufdringlich, das Teil. 
Und das Allerbeste: Die Säule war nachts sogar beleuchtet. 

Jetzt steht da so ein zeitgemäßes Ding, das einem EINE Veranstaltung anzeigt und wenn man gerade genauer nachlesen will - husch, ist das Bild weg und es erscheint irgendwas, was einem nicht interessiert. Warten, bis nach wievielen anderen Werbebotschaften die eine, die mich interessiert, wiederkommt? Echt? 

Vorher konnte man selber entscheiden, ob und was einem interessiert, jetzt entscheidet ein anderer, was mich bitteschön zu interessieren hat. Das ist zwar völliger Humbug, aber genau deswegen nennt man sowas "zeitgemäß".  



Andere Bereiche der Verwaltung haben offenbar beim Thema Digitalisierung weniger Priorität. 


Aber dafür wird man jetzt beim Vorbeigehen auch gefilmt, was man durch einen ganz kleinen Text oben rechts im Bild gesagt bekommt ... aber wer geht schon nahe genug dran, um das zu lesen. Sicherlich werden wir demnächst noch von den Verantwortlichen darüber informiert werden, welchen Zweck die Videoüberwachung verfolgt, was und wie lange gespeichert und verarbeitet wird und inwiefern die einschlägigen Gesetze, zB das BDSG, eingehalten werden. 

Ich bin jedenfalls gespannt, wann das Teil zum ersten Mal gehackt wird - weltweit machen sich ja Menschen einen Spaß daraus - und plötzlich ganz andere Informationen auf dem Display erscheinen ....

(Wenn man ganz schlau ist, redet man sich darauf hinaus, daß dies eine Kunstinstallation in Erinnerung an und zu Ehren von Hans Wall, den kürzlich verstorbenen großen Sohn der Stadt Künzelsau und Erfinder der City-Toilette, darstellen soll. )

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